Die Urartäer - vergessenes Reich in Ostanatolien

Das Reich der Urartäer erstreckte sich in der ersten Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. über ein Gebiet zwischen Vansee, Sewansee und Urmiasee auf dem Boden der heutigen Osttürkei, Nordwest-Irans und Armeniens. Es gehört trotz seiner damaligen machtpolitischen Bedeutung, von der bis heute zahlreiche, meist nur schwer zugänglich auf Bergrücken gelegene Festungsbauten mit mächtigen Mauern zeugen, noch immer zu den rätselhaftesten Staatsgebilden des Alten Orients. 

 

Sowohl die Gründungsphase des urartäischen Reiches als auch sein Verschwinden von der Weltbühne sind noch mit vielen Fragezeichen behaftet, auch die Herrscherfolge ist für diese beiden Randphasen noch nicht restlos geklärt. Die Zeit der politischen Größe dazwischen ist hingegen gut dokumentiert, sowohl durch eigene Quellen als auch durch die Berichte der Nachbarstaaten, allen voran den Assyrern.

 

Die Macht der Urartäer lässt sich allein schon daran bemessen, dass deren Reich sich als nahezu einziger Staat des antiken Nahen Ostens der dauerhaften Besetzung durch das assyrische Imperium erwehren konnte. Trotz dieser Rivalitäten zeigen Kunst und Kultur der Urartäer starke assyrische Einflüsse: das beginnt mit der Adaption der Keilschrift und endet mit der bildlichen Wiedergabe von Göttern und Dämonen, bevorzugt auf Waffen (Helme, Schwertscheiden, Schildbuckel) und Amuletten, die sich manchmal kaum von den assyrischen Vorbildern unterscheiden lassen.

 

Technologisch führten die Urartäer die Jahrtausende alte Tradition der iranischen Metallverarbeitung zu einer neuen Blüte. Das zeigt sich am eindrucksvollsten an den großen Bronzekesseln mit ihren Applikationen, die auch exportiert wurden. Aber auch in der Kleinkunst erwiesen sich die Urartäer als Meister, was vor allem an den in Toprakkale gefundenen Elfenbeinschnitzereien und Kompositfiguren sichtbar wird.

 

Auch über die urartäische Götterwelt wissen wir mittlerweile gut Bescheid: an der Spitze des Pantheons stand der Kriegsgott Haldi, begleitet von seiner Gemahlin Arubaini. Die ihm geweihten Tempel haben einen ansonsten im alten Orient nicht vorhandenen charakteristischen quadratischen Grundriss mit verstärkten Eckrisalithen, über dem sich ein „Susi“ genannter Tempelturm erhob. Haldi bildete zusammen mit dem Wettergott Teiseba und dem Sonengott Siwini ein himmlisches Dreigestirn. Die unweit der Reichshauptstadt Tuschpa, dem heutigen Van, angebrachte Felsinschrift von Meher Kapi gesellt ihnen noch über siebzig weitere Gottheiten hinzu. Der wichtigste urartäische Kultort, die Stadt Ardini, in assyrischen Texten Musasir genannt, mit ihrem großen Haldi-Tempel, wurde bei einem Feldzug des Assyrerkönigs Sargon II. im Jahr 714 v. Chr. nach ihrer Plünderung so gründlich zerstört, dass sie bis heute nicht eindeutig lokalisiert werden konnte.

 

Gemeinsam mit dem Archäologen und profunden Kleinasienkenner Dr. Joachim Willeitner erkunden wir das vergessene Reich der Urartäer und genießen gleichzeitig die berauschende Landschaft und die pittoresken Städte und Dörfer Ostanatoliens.

 

Termin: So 13. 10. - Di 22.10. 2024

Preis: Auf Anfrage!

Für Fragen und Buchungswünsche kontaktieren Sie bitte unseren Reiseveranstalterpartner IBK Kulturtours oder die ARGE Archäologie arge.archaeologie@gmail.com +43 699 1310 4166 

 

Detailprogramm:

So., 13. Sept.: individueller Anflug nach Van und Transfer zum Hotel. Wenn es die Ankunftszeiten erlauben, gemeinsames Abendessen und erstes Kennenlernen; Ü.: Van 

Mo., 14. Sept.: vormittags statten wir dem erst im Herbst 2019 neu eröffneten Archäologischen Museum von Van mit seiner markanten Glasfassade und seinen rund 2400 Objekten von der urartäischen bis in die osmanische Zeit einen ausführlichen Besuch ab. Das Museum stand 2022 in der Finalrunde zur Wahl des „Europäischen Museums des Jahres“ des Europarates. Nachmittags erkunden wir Van Kale, den Burgberg mit den Überresten der urartäischen Reichshauptstadt Tuschpa. Von dort aus hat man auch einen Blick hinab auf das eindrucksvolle Ruinengelände der nach schweren Kämpfen im Ersten Weltkrieg 1915 zerstörten und danach nicht mehr besiedelten Stadt von Alt-Van (Eski Van Sehri); die östlich davon gelegene urartäische Doppelfestung von Anzaf (Așaği ve Yukari Anzaf), bei der vor allem Menua, der fünfte überlieferte urartäische König, inschriftlich belegt ist, bildet den Abschluss des Besuchstages; Ü.: Van (1-1,5 Std - 60 km) 

Di., 15. Sept.: heute erwarten uns die Höhepunkte der urartäischen Architektur. Wir starten vormittags mit den eindrucksvollen Ruinen von Ҫavuștepe, dem antiken Sardurihinili, und bewundern die sorgfältig gesetzten Steinquader der Umfassungsmauer und des Susi-Tempels. Wie der antike Name schon andeutet, handelt es sich um eine Gründung durch König Sarduri II. in der Mitte des 8. Jh.s v. Chr. In den letzten Jahren wurde vornehmlich in der Nekropole der Festung ausgegraben, wobei mehrere Gräber mit interessanten Beigaben zutage traten. Aller Voraussicht nach wird uns ein ortsansässiger Archäologe, Herr Mehmet, mit den urartäischen Inschriften der Stätte vertraut machen. Auch die Burg von Hosap, die anschließend auf dem Programm steht, zieht sich über einen Bergrücken. Dass hier die Mauern noch in eindrucksvoller Höhe zu sehen sind, liegt an der fortgesetzten Nutzung der stratgisch günstig über dem Fluss Güzelsu („schönes Wasser“) gelegenen Festung bis in osmanische Zeit. Nachmittags steigen wir hinauf zu den sensationellen neuen Ausgrabungen von Ayanis, die wir wegen noch laufender Arbeiten nur dank einer Sondergenehmigung des Museums in Van besuchen können. Inschriftenfunde haben inzwischen enthüllt, dass es sich um das urartäische Ağarti handelt. Die aus sorgfältig zurechtgehauenen Basaltquadern bestehenden Mauern des Susi-Tempels weisen neben umfangreichen Keilschrifttexten vor allem filigrane Intarsieneinlagen aus farbigen Steinen auf. 1922 sind sogar großflächige Wandmalereien ans Tageslicht gekommen, die sich an den Lehmziegelwänden mit erstaunlicher Farbenpracht erhalten haben; Ü.: Van (3 - 3,5 Std. - 200 km) 

Mi., 16. Sept.: Heute beginnen wir mit der Umrundung des Vansees im Uhrzeigersinn. Die legendäre altorientalische Königin Semiramis wird nicht nur mit den rätselhaften „Hängenden Gärten“ in Babylon, einst eines der Sieben Weltwunder der Antike, in Verbindung gebracht, in der lokalen Überlieferung gilt sie auch als Auftraggeberin eines aufwendigen Bewässerungskanals, des Samiram Suyu, der in Wahrheit auf die Urartäer zurückgeht und noch heute über gute Strecken im Gelände verfolgt werden kann. Dann setzen wir mit einem Boot auf die Insel Akdamar im Vansee über und besuchen dort ein weiteres architektonisches Wunder: die armenische Heiligkreuzkirche aus dem frühen 10. Jahrhundert, deren Außenwände über und über mit Skulpturen und Reliefdarstellungen mit Szenen aus dem Alten und Neuen Testament überzogen sind und die in ihrer Art einmalig ist. Im inneren haben sich zudem Wandmalereien erhalten. So nimmt es nicht Wunder, dass das Monument schon seit Jahren auf der Warteliste für die Aufnahme als UNESCO-Weltkulturerbe steht. Nach dem Inseltrip passieren wir die Kleinstadt Gevas, an deren Rand sich ein islamischer Friedhof mit seldschukischen Grabsteinen und der Halim Hatun Türbesi, einem polygonalen und reich ornamentierten Grabmal aus dem Jahre 1322, befindet. Ü.: Tatvan (2 - 2.5 Std +Boot 40 min – 160 km) 

Do., 17. Sept.: Was wir am Vortag in Gevas gesehen haben, steigert sich jetzt noch in Ahlat, einem Ort am westlichen Ufer des Vansees mit einer bewegten Geschichte: die dortigen seldschukischen Friedhöfe gelten mit ihren reliefverzierten Grabstelen als schönste ihrer Art überhaupt. Dazwischen sind immer wieder Türben eingestreut. Danach begegnen uns wieder die Urartäer. Sowohl aus der Stadt Adilcevaz, die wir durchfahren, als auch der einige Kilometer davon entfernten Festung von Kef Kalesi, die, in rund 2200 m Höhe gelegen, auf den urartäischen König Rusas II. zurückgeht, stammen teils spektakuläre Funde aus dieser Zeit, darunter der berühmte würfelförmige Pfeilerblock mit symmetrischen Reliefdarstellungen des Gottes Haldi auf einem Löwen (Original im Museum Ankara; Rekonstruktion der gesamten Halle im Museum Van). Wenn die Zeit reicht, statten wir noch der Ruine des mittelalterlichen armenischen Klosters Skantselorgivank („Kloster der Wunder“) einen kurzen Besuch ab. Ü.: Doğubayazıt (3-3.5Std- 250 km) 

Fr., 18. Sept.: Wir starten mit dem Besuch des bekannesten Bauwerks von Doğubayazıt, dem etwas außerhalb gelegenen Ishak-Pascha-Palast aus dem späten 17. oder dem 18. Jahrhundert, das in einer dramatischen Landschaft mit Blick auf den Ararat auf einem nach drei Seiten hin abfallenden Felssporn errichtet wurde. Hier bilden armenische, seldschukische und osmanische Bauelemente eine einmalige Symbiose. Seit einigen Jahren befinden sich die Räume der Ruine zum Schutz ihrer filigranen Wandreliefs unter einem Schutzdach, das aus einer dezenten Holz-Glas Konstruktion besteht. In geringer Distanz befindet sich ein urartäisches Felsgrab mit einer reliefierten Fassade, die zwei Personen zeigt. Mit Doğubayazıt befinden wir uns nur wenige Kilometer von der iranischen Grenze entfernt, im Verlauf der Weiterfahrt, die über Igdir und Digor erfolgt, gelangen wir nach Kars, diesmal knapp an der Grenze zu Armenien. Ü.: Kars (4-4.5 Std – 300km) 

Sa., 19. Sept.: Nach einem kurzen Besuch von Kars, eventuell mit dem dortigen Lokalmuseum mit einigen urartäischen Objekten, fahren wir 40 km nach Osten unmittelbar an die Grenze zu Armenien, wo sich die eindrucksvollen armenischen Kirchenruinen von Ani befinden. Der heute gänzlich verlassene Ort, der im 10. Jahrhundert Hauptstadt des armenischen Reiches war und seither eine wechselhafte Geschichte erlebte, weist neben seinen zwanzig bauhistorisch wichtigen Kirchen auch noch weite Teile seiner einstigen Stadtmauer auf. Da die Bauten in osmanischer Zeit stark vernachlässigt worden waren, präsentierten sie sich zuletzt in erbärmlichem Zustand, und das schwere Erdbeben von 1988 in Ostanatolien tat sein Übriges. Seit 2016 zählt das Bauensemble zum UNESCO-Weltkulturerbe und seit 2018 führt die türkische Regierung Restaurierungsmaßnahmen zu dessen Erhalt durch. Danach wird uns Herr Gökhan, der in seiner Heimatregion nach Petroglyphen forscht, in Azat und Üçler zu einigen versteckten Felswände mit alten Tier- und Menschendarstellungen führen. Ü.: Kars (2-2.5 Std- 200km) 

So., 20. Sept.: Exklusiv für unsere Gruppe findet in einem Dorf bei Kars eine Vorführung der traditionellen Cirit-Reiterspiele statt. Sie sind benannt nach dem für die seldschukisch-osmanische Reitertruppen charakteristischen kurzen Wurfspieß, der bei diesem Wettbewerb als einzige Waffe eingesetzt wird. Einzelkämpfer aus zwei gegnerischen Mannschaften versuchen sich jeweils nach vorgegebenen Regeln abwechselnd mit dem Cirit abzuschießen, wobei der jeweils „Fliehende“ mit akrobatischen Bewegungen auf dem Pferd versucht, der Waffe auszuweichen. Denn wenn statt des Menschen das Reittier getroffen wird, gibt es für den „Angreifer“ Minuspunkte. Dieser ehemals im gesamten osmanischen Reich und zeitweilig sogar in Teilen Westeuropas populäre Reitsport wird heute nur noch in ganz wenigen Ortschaften in der Türkei praktiziert. Nach einem inkludierten Mittagessen im Reiterdorf setzen wir die Fahrt fort nach Erzurum; Ü.: Erzurum (3.5- 4 Std – 280km)

Mo., 21. Sept.: Wir beginnen den Tag mit einer orientierenden Besichtigung der in 1950 m Höhe an der Kreuzung mehrerer wichtiger alter Handelsstraßen gelegenen Provinzhauptstadt Erzurum (nach Möglichkeit auch mit dem Museum). Unter ihren seldschukisch-osmanischen Bauten stechen vor allem die Cifte-Minare-Medrese mit ihrem prunkvollen namengebenden Doppelminarett aus dem 13. Jahrhundert (das auch stilisiert im Stadtwappen erscheint) und die nach deren Vorbild erbaute mongolische Yakutiye-Medrese aus dem frühen 14. Jahrhundert hervor. Aus osmanischer Zeit stammt beispielsweise die Üç Kümbetler genannte Dreiergruppe von Grabbauten in einem Stadtpark. Im Anschluss besuchen wir mit einer Sondergenehmigung des Museums von Erzincan den Ruinenhügel von Altintepe, der als besterhaltene urartäische Festung der Türkei gilt und aus dem, wie sein Name, der übersetzt „Goldhügel“ bedeutet, schon erahnen lässt, zahlreiche archäologische Funde geborgen werden konnten. Danach geht es weiter nach Erzincan, wo wir, falls es die Zeit ermöglicht, noch das Museum besichtigen wollen. Ü.: Erzincan (2.5-3 Std- 200 km) 

Di., 22. Sept.: individueller Rückflug der Reisegäste ab Erzincan zu ihren Heimatorten

 

Gesamt Km ca. 1700 Km