Tag 2 unserer Orkney- Studienreise: Von Hügeln umgeben und von Erde bedeckt

Abbildung: Gut erhaltener Chambered Cairn - von Außen nur als Hügel zu erkennen / © Anita Soós
Abbildung: Gut erhaltener Chambered Cairn - von Außen nur als Hügel zu erkennen / © Anita Soós

Eigentlich hätten wir nach dem 1. Tag schon heimfliegen können, denn die großen Attraktionen von Orkney hatten wir uns schon angesehen, scherzte Klaus am nächsten Morgen.  

Tatsächlich wären uns aber dann die geheimen Schätze der Inseln verborgen geblieben, denn wie Insider wissen, findet man die schönsten Ziele sowieso nicht im Reiseführer!

 

Den zweiten Tag widmeten wir also den sogenannten Chambered Cairns und anderen Funeralbauten. 

Abbildung: Wir folgen Klaus in die "Unterwelt" /  © Anita Soós
Abbildung: Wir folgen Klaus in die "Unterwelt" / © Anita Soós

Zunächst führte uns unser Weg zu einem Cairn in direkter Sichtweite zu den Stones of Stenness und dem Ring of Brodgar – wie wir ja schon wissen, keineswegs Zufall, sondern alles Teil der sogenannten „Rituellen Landschaft“. Cairns waren im Neolithikum runde oder längliche Hügel, welche in ihrem Inneren unterteilte Kammern aus Stein bedeckten, die als Begräbnisstätten und/oder zur Abhaltung von verschiedenen Totenritualen genutzt worden sind. In diesem speziellen Cairn wurden z.B. zwei Hockerbestattungen in den Seitenkammern gefunden, einige weitere in der Hauptkammer sowie zahlreiche disartikulierte Knochen im gesamten Komplex. Dies ist besonders interessant, da Hockerbestattungen im orkadischen Neolithikum nicht die Norm darstellen. Stattdessen wurde eine Sitte praktiziert, die man Exkarnation nennt – die Entfleischung von Knochen. Hierbei wurden vermutlich die Verstorbenen zunächst an einem unbestimmten Ort ausgelegt um, sie Tieren bzw. der Verwitterung preiszugeben. War der Verwesungsprozess genügend fortgeschritten, entfleischte man die Knochen zusätzlich und deponierte sie anschließend in Grabbauten wie den Chambered Cairns. Oft wurden auch nur spezielle Knochen deponiert, z.B. Langknochen oder Schädel.

Abbildung: Es hätten durchaus alle hinein gepasst - hier aber leider noch ohne Minea! / © Klaus Schindl
Abbildung: Es hätten durchaus alle hinein gepasst - hier aber leider noch ohne Minea! / © Klaus Schindl

Viele Cairns dürften im Laufe ihrer Nutzungsphase auch immer wieder ausgeräumt worden sein (dies ergibt sich durch die beinahe Fundleere vieler Cairns) und zumeist wurden sie auch gegen Ende des Neolithikums bzw. am Anfang der Bronzezeit komplett aufgegeben und absichtlich versiegelt. Natürlich gab es innerhalb dieser Regelhaftigkeit auch noch viel Raum für Individualität, weshalb jeder Cairn für sich gesehen sehr besonders sein kann.

All dies erzählte uns Klaus bereits im Vorfeld, erst danach begaben wir uns in gebückter Haltung durch den kurzen Gang in das Innere der großen Kammer, in der man sogar aufrecht stehen kann.  

 

 

Im Inneren fiel uns auf, dass wir jemanden vergessen hatten – Minea litt an Klaustrophobie und traute sich den Weg durch den dunklen, engen Gang nicht zu. Dies stellte natürlich eine besonders unglückliche Tatsache dar, zumal die meisten Grabbauten auf den Orkneys nach einem ähnlichen Prinzip aufgebaut waren – da mussten wir uns noch etwas überlegen!

Abbildung: Der Eingang zu Maes Howe / © Klaus Schindl
Abbildung: Der Eingang zu Maes Howe / © Klaus Schindl

Als nächstes stand dann doch noch eine Standard- aber trotzdem Must-see-Attraktion auf dem Programm: Maes Howe. Leider ist dies eine Fundstelle, die ausschließlich durch eine Führung des zugehörigen Museums besichtigt werden kann, weshalb wir uns die doch beeindruckende Atmosphäre innerhalb der Megalithanlage mit einigen weiteren Touristen teilen mussten.

Davor mussten wir aber noch Minea irgendwie hinein bekommen – niemand darf die Orkneys verlassen, ohne Maes Howe gesehen zu haben! Nach ein bisschen gut zureden und Einverständnis von Minea ergriff Anita sie dann unzeremoniös bei der Hand und ein paar Sekunden und 11 m später war‘s auch schon geschafft; Minea hatte ihre Angst überwunden und war überglücklich – wir sind so stolz auf sie!

Ausgezahlt hatte es sich auch, denn Maes Howe ist ein sogenanntes Passage Tomb, ein Ganggrab mit mehreren kreuzförmig angelegten Kammern in Inneren, die von einem Kraggewölbe, welches ehemals über 4 m hochragte, bedeckt wird. Die vier Eckpfeiler der Trockenmauerwerkwände werden durch die größten Einzelsteinplatten, die in schottischen Megalithgräbern verbaut wurden, gebildet. Dieser Umstand lässt viele Archäologen auch darauf schließen, dass Maes Howe ursprünglich ein Steinkreis gewesen sein könnten und dann später zu einer Grab- und Zeremonialkammer umgebaut wurde. Genau wie das bekannte Newgrange in Irland, hat auch Maes Howe eine astronomische Ausrichtung – nämlich auf den Sonnenuntergang am Tag der Wintersonnwende.

Abbildung: Maes Howe wird durch einen 11 m langen, engen Gang betreten / © Klaus Schindl
Abbildung: Maes Howe wird durch einen 11 m langen, engen Gang betreten / © Klaus Schindl

Nicht zuletzt ist dies außerdem auch eine hochinteressante Fundstelle, weil eine Gruppe von Wikingern im 12. Jahrhundert hier offenbar einen „großartigen Schatz“ vorfanden und für dessen Bergung mehrere Tage benötigten. Während dieser Zeit verewigten sie sich auch ausführlich mit ihren Runen an den Wänden der Megalithanlage – darunter auch die offensichtlich runenkundige Frau Lifolf, die scheinbar Teil der Seefahrergruppe gewesen war.

Abbildung: Minea ist nach überwundenen Ängsten für jedes Abenteuer bereit! / © Anita Soós
Abbildung: Minea ist nach überwundenen Ängsten für jedes Abenteuer bereit! / © Anita Soós

Nach dem abermals schnitzel- und schweinsbratenlosen Mittagessen begaben wir uns zu einem weiteren Chambered Cairn. Bei diesem mussten wir uns nun doch auf Hände und Knie begeben, um in die finstere Innenkammer zu gelangen. Keine Taschenlampe mit? Kein Problem! Die Grundbesitzer waren so freundlich gewesen, den Besuchern eine Lampe in einem eigenen Kästchen neben dem Eingang zur Verfügung zu stellen. Der Umstand, dass diese nach offenbar längerer Benutzung noch vor Ort auffindbar war, verwunderte die kriminalitätsgeplagten Großstädter unter uns doch ein wenig. Auch für Minea war der Einstieg auf diese Weise und nach überwundenen Ängsten kein Problem mehr – wir sollten die ganze restliche Woche von ihrem strahlenden Lächeln begleitet werden.

 

Im Inneren der Anlage waren jedenfalls einige menschliche Schädel nebst 24 Hundeschädeln zutage getreten, ein Umstand, der viele Archäologen an die Existenz von sogenannten Totemtieren glauben lässt. Im Laufe der Woche würden wir noch auf weitere, derartige Zusammenhänge stoßen.

Abbildung: Im Inneren des Souterrains / © Otter at Dutch Wikipedia_Wikimedia Commons
Abbildung: Im Inneren des Souterrains / © Otter at Dutch Wikipedia_Wikimedia Commons

Bevor es zum nächsten Cairn ging, lockerten wir die geballte Jungsteinzeit dann noch mit einem eisenzeitlichen, sogenannten Souterrain auf. Bei Anlagen dieses Typs handelt es sich um unterirdische Kammern aus Trockenmauerwerk mit bis heute nicht zweifelsfrei geklärter Funktion.

Auch diese wurden durch einen gemauerten, längeren Gang betreten, der – so scheint dies zumindest auf Orkney der Fall gewesen zu sein – mit einem überirdischen Gebäude verbunden war.

Trennwände in Form von aufrechten Steinplatten im oberen Bau deuten auf eine, auf diese Weise zwangsweise vorgegebene Gehrichtung mit dem Uhrzeigersinn hin, während in der unteren Kammer das Gegenteil forciert wurde – gegen den Uhrzeigersinn. Möglicherweise symbolisch für Leben (mit der Sonne gehen) und Tod (gegen die Sonne)? Auch Reste von offenbar zermahlenen Knochen wurden hier gefunden, was ein weiterer Hinweis auf Totenrituale sein könnte. Die allgemeine archäologische Meinung vertrat jedoch bis vor Kurzem die Theorie, dass die mysteriösen unterirdischen Strukturen zur Aufbewahrung und Lagerung verwendet wurden, obwohl bisher keinerlei Spuren der aufzubewahrenden Güter entdeckt werden konnten.

Abbildung: Tiggs, vor dem Anschlag auf seinen Schweif / © Minea Bauer
Abbildung: Tiggs, vor dem Anschlag auf seinen Schweif / © Minea Bauer

Nachdem jedenfalls alle wieder ihren Weg aus dem Souterrain herausgefunden hatten, musste Anita feststellen, dass in der Zwischenzeit Tiggs, die unglaublich gutmütige Katze die, die Fundstelle treu bewachte und sich schon beim letzten Besuch mit ihr angefreundet hatte, erfolgreich vergrault worden war – jemand war ihr auf den Schweif gestiegen! Namen wollte niemand nennen, aber einige Seitenblicke wurden Richtung Klaus geworfen.

Abbildung: Leo, unser jüngstes Gruppenmitglied erkundet auch die engsten Kammern / © Anita Soós
Abbildung: Leo, unser jüngstes Gruppenmitglied erkundet auch die engsten Kammern / © Anita Soós

Abenteuer machen naturgemäß hungrig, aber vor dem wohlverdienten Abendessen musste noch eine letzte Hürde genommen werden – die Wanderung zu einem recht abgelegenen Cairn auf einem Hügelhang. Dies war für unser müdes Fleisch doch eine Herausforderung, aber schließlich haben wir es geschafft und wurden diesmal mit einem kniefreundlichen Einstieg über die Decke belohnt, da der ursprüngliche Zutritt nur durch einen 5m langen und lediglich 60 cm hohen und breiten Gang gegeben war – da hätten manche von uns nach wiederholtem Fish and Chips-Verzehr vielleicht gar nicht mehr hineingepasst!

In dieser Grabanlage wurden jedenfalls keinerlei menschliche Überreste gefunden – sie wurde offenbar noch im Neolithikum sorgfältigst ausgeräumt! Am Ende ihrer Benutzung war die Grabkammer sodann mit Abfallmaterial zugeschüttet und von Außen versiegelt worden.

 

Nach einer kurzen Rast machten wir uns wieder auf den Weg ins Hotel und zu unserem Abendessen (Fish and Chips!).

Abbildung: Unsere Gruppe vor dem letzten Cairn des Tages. Im Hintergrund ist der stufenförmige Aufbau erkennbar / © Klaus Schindl
Abbildung: Unsere Gruppe vor dem letzten Cairn des Tages. Im Hintergrund ist der stufenförmige Aufbau erkennbar / © Klaus Schindl

Lust auf noch mehr Abenteuer? Schaut in den nächsten Tagen wieder für Tag 3 der Reise vorbei ;)

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