Neue Exkursionsziele für die ARGE

Wüstung Wilantesdorf und die sogenannten"Schwedenhöhlen"

Abbildung: Klaus und Anita vor den Schwedenhöhlen (Klaus Schindl)
Abbildung: Klaus und Anita vor den Schwedenhöhlen (Klaus Schindl)

Unsere Reiseleiter Klaus und Anita haben sich letztes Wochenende aufgemacht um für euch nach neuen Exkursionszielen zu suchen, die auch von Wien aus leicht erreichbar sind.

Nach ein wenig Recherchearbeit stößt Klaus, der sich sehr für Wüstungsforschung in Niederösterreich interessiert, auf die Wüstung Wilantesdorf nördlich von Stockerau im Rohrwald getroffen sowie die benachbarten „Schwedenhöhlen", die vermutlich der Dorfbevölkerung als Zufluchtsort gedient haben dürften.

 

Ungefähr eine halbe Stunde von Wien entfernt, ist die Fundstelle der ehemaligen Siedlung Wilantesdorf am Besten mit dem Auto und anschließend einem gemütlichen Spaziergang vom Parkplatz des „Goldenen Brünndls“ aus erreichbar.

 

Versteckt zwischen den Bäumen einer jungen Forstwirtschaft lassen sich mit geschultem Blick auch heute noch die Reste vom Bruchsteinmauerwerk der wüst gefallenen Gehöfte, von welchen um die 18 durch eine systematische Begehung durch den Wüstungsforscher Kurt Bors 1991 festgestellt wurden, erkennen. An manchen sind auch noch Brandspuren feststellbar – die Wüstung wurde vermutlich von plündernden Ungarn im 15. Jahrhundert vernichtet. Davon zeugen auch zahlreiche Armbrustbolzen und Bleikugeln, wie sie um 1500 verwendet wurden, deuten auf ein unfreundliches Schicksal der Dorfbevölkerung hin. Hätten die Einwohner das Dorf auch im Zuge einer geplanten Evakuierung verlassen, wären wohl auch nicht Metallgegenstände in so großen Mengen zurückgelassen worden, wie sie bei Aufsammlungen von Kurt Bors immer wieder zu Tage traten – Metall wäre zu diesen Zeiten sehr wertvoll gewesen.

 

Dichtes Gestrüpp, das die zahlreichen noch vorhandenen, scheinbar zum Dorfplatz führenden, Altwegesysteme überzieht, sorgt für einige „patscherte“ Momente.

Auch ein ehemaliger kleiner Dorfteich, der sich rundherum durch sumpfiges Terrain auszeichnet, kann zu einer nassen Falle für begeisterte Archäologen werden, die aufgeregt zwischen den teilweise noch erahnbaren Hausgrundrissen umherlaufen.

 

Schließlich finden sie auch einen Erdtrichter mit wallartigem Aufwurf am Rand. Der Anblick erinnert ein wenig an einen Bombentrichter, was allerdings an diesem Ort ein wenig überraschend wäre. Später finden sie durch einen Artikel von Kurt Bors in den Beiträgen zur Mittelalterarchäologie in Österreich heraus, dass der Trichter schon im Mittelalter bestanden haben müsste und es sich eventuell sogar um die Unterkellerung eines Turmes gehandelt haben könnte, dessen Hausmauern abtransportiert worden sind. Die von Bors vor Ort aufgefundene Keramik wies jedenfalls sekundäre Brandspuren auf.

 

Schon bei der Begehung des riesigen Areals fällt auf, dass es sich bei Wilantesdorf vermutlich nicht um ein „Kuhkaff“ gehandelt haben dürfte; im Jahre 1360 werden in den Urbaren des Stiftes Klosterneuburg 50 Einwohner und ein eigenes Wirtschaftsamt erwähnt, welchem auch die Lehen von Niederhollabrunn unterstellt gewesen waren. Im Fundspektrum schlägt sich letzteres auch durch die Anwesenheit von rotbemalter Importkeramik nieder. Erstmalige Erwähnung findet Wilantesdorf übrigens bereits 1114, was allerdings bisher nicht durch entsprechende Funde zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte.

 

Generell müsste dringend gegraben werden. Das finden auch Klaus und Anita, denen es bereits unter den Fingern brennt – Wilantesdorf würde bestimmt spannende Erkenntnisse für die Wüstungsforschung bringen – aber einstweilen müssen wir uns wohl mit Exkursionen begnügen.

 

 

Abbildung: Anita in einer der "Schwedenhöhlen" vor einer "Kerzen-" oder "Mariennische" mit modernen Ritzungen im Hintergrund (Klaus Schindl)
Abbildung: Anita in einer der "Schwedenhöhlen" vor einer "Kerzen-" oder "Mariennische" mit modernen Ritzungen im Hintergrund (Klaus Schindl)

Seufzend verlassen unsere Reiseleiter die verwunschen anmutende Wüstung im Wald und spazieren etwa 400 m weiter, den Rohrbach überquerend, zu den sogenannten „Schwedenhöhlen". Hierbei handelt es sich um zumindest 11 Höhlensysteme, die in Lösswände hineingegraben wurden. Teilweise waren oder sind sie noch heute miteinander verbunden, aber auch durch die Jahre stark verstürzt. Fünf von ihnen sind noch relativ gut zugänglich, sofern man nicht an Klaustrophobie leidet und werden von unseren abenteuerlustigen Reiseleitern sofort erkundet.

 

Innen präsentieren sich aufschlussreiche Bilder; heute noch erhaltene, in die Wände gemeißelte „Sitz-„ und „Kerzen-„ oder sogenannte „Mariennischen" (Nischen zum Aufstellen von Marienstatuetten) zeugen von tatsächlicher Bewohnung der Höhlen durch Menschen, vermutlich in Notzeiten.

Abbildung: Einsamer Höhlenbewohner - eine winzige Fledermaus (Klaus Schindl)
Abbildung: Einsamer Höhlenbewohner - eine winzige Fledermaus (Klaus Schindl)

In manchen der Höhlen kann man sogar noch aufrecht stehen, in der Aufregung darüber vergisst Klaus auch, auf die Decke zu achten und trifft prompt mit dem Kopf auf einen einsamen kleinen Höhlenbewohner – eine Fledermaus. Nachdem der Schreck überwunden ist, untersuchen Klaus und Anita die zahlreichen Graffiti an den Höhlenwänden – die meisten davon natürlich leider rezent. 

Die "Schwedenhöhlen" im Rohrwald bei Stockerau (Klaus Schindl)
Die "Schwedenhöhlen" im Rohrwald bei Stockerau (Klaus Schindl)

Bedauerlicherweise ist von den „Schwedenhöhlen“ nichts Konkretes bekannt, da sie nie archäologisch untersucht worden sind. Im Volksmund wird zwar noch gemunkelt, dass sie im 30-jährigen Krieg als Verstecke vor den Schweden dienten, tatsächlich dürften sie allerdings viel älter sein, da das zugehörige Wilantesdorf im 17. Jahrhundert schon längst zerstört gewesen war. Tragischerweise dürften offenbar allerdings keine, oder nur sehr wenige, Dorfbewohner im Zuge der Zerstörung durch vermeintliche Ungarn ihr Heil in den „Schwedenhöhlen“ gefunden haben.

 

Nach der Inspektion und der Feststellung, dass der zuletzt verzehrte Schweinsbraten wohl zu einem Hindernis für die Betretung einer besonders engen Höhle wurde, verlassen die Reiseleiter das Areal wieder und kehren voller Tatendrang für zukünftige Projekte wieder nach Wien zurück.

 

 


 

Haben wir eure Lust auf eine Tagesexkursion in der näheren Umgebung Wiens mit einem Abstecher zu Wilantesdorf und den "Schwedenhöhlen" geweckt? Dann meldet euch bei uns unter anita.soos@arge-archaeologie oder klaus.schindl@arge-archaeologie.at und teilt uns eure Wünsche, Fragen, Anregungen mit!

Die Planung ist schon in vollem Gange ;)

 

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