Mittendrin und doch am Rande – so könnte man die Lager Sardiniens beschreiben. Im Herzen des Mittelmeerraumes gelegen war die Insel seit ihrer frühesten Geschichte Teil von Handelsnetzen und ihr Ressourcenreichtum lockte Entdecker und Seefahrer an. Zugleich liegt Sardinien abgelegen im Meer, die Küste nach Osten zum nächsten (kontinentalen) Nachbarn Italien ist wild und rau und besitzt nur wenige natürliche Landungsplätze für Boote. Daher konnten sich hier bis zur Einnahme der durch die Römer einzigartige archäologische Kulturen entwickeln, die von der Jungsteinzeit bis in die frühe Eisenzeit herausragende Bauwerke und Handwerkskunst hervorbrachte.
Die prachtvolle steinzeitliche Megalithkultur von Sardinien beeindruckt auch Weitgereiste mit monumentalen Anlagen und vollendeter Baukunst. Eine Vielzahl von Brunnenanlagen, Grabstätten und Siedlungen erzählen von der hohen Kultur der prähistorischen Einwohner dieser landschaftlich gesegneten Insel. Gleichwohl ist die Megalithkultur Sardiniens noch beinahe unerforscht.
Nach der verlöschenden steinzeitlichen Megalithkultur konnte sich ab der frühen Bronzezeit bis hinein in die Eisenzeit auf Sardinien eine weitere Zivilisation entwickeln, die von Wissenschaftlern als eine der größten frühgeschichtlichen Inselkulturen im Mittelmeerraum bezeichnet wird – die "Nuraghen-Kultur". Und in der Tat prägen die bislang etwa 7000 gefundenen Nuraghen bis heute das Bild der Landschaft. Zu welchen Zwecken die Nuraghen errichtet wurden, ist bis heute unter Fachleuten wild umstritten.
Erst seit kurzer Zeit der Öffentlichkeit zugänglich sind die "Giganten vom Mont'e Prama", überlebensgroße nuraghenzeitliche Steinfiguren von archaischer Schönheit. Archäologen bargen auf der sardischen Halbinsel Sinis (Provinz Oristano) seit 1975 mehr als 5.000 Einzelteile der schon in der Vorzeit absichtlich zerstörten Statuen. Nach Jahrzehnten des Dahinschlummers in staatlichen Depots wurde endlich mit der Restaurierung dieser einzigartigen prähistorischen Relikte begonnen.
Unsere von einer italienischen/deutschsprachigen Archäologin geführte Studienreise führt uns zu den bedeutendsten Zeugnissen der Megalith- und der Nuraghenkultur, wir werden aber auch Relikte anderer antiker Kulturen nicht unbeachtet am Wegesrand liegenlassen. Immer wieder führen uns dabei kleine Wanderungen in die herrliche Landschaft Sardiniens.
Die im Laufe der Woche stattfindenden Gespräche und Diskussionen bieten ergänzendes Wissen und aktuelle Forschungsergebnisse zu den besuchten archäologischen Stätten.
Termin: SO 10.09. – SO. 17.09.2023
Reiseverlauf
1. Tag, So.: Anreise – Arzachena
Treffpunkt am Flughafen Olbia. Transfer nach Arzachena (ca. 30 km von Olbia).
Kennenlernen der Reiseleiterin und der Teilnehmer beim gemeinsamen Abendessen.
Einführungsvortrag zum Thema „Urgeschichte von Sardinien“. (3x ÜN bei Arzachena)
2. Tag, Mo.: Arzachena
Als ersten Programmpunkt besuchen wir das Brunnenheiligtum Sa Testa und erfahren im Schatten von Olivenbäumen mehr über Wasserkulte der Nuraghenzeit. Anschließend fahren wir zurück nach
Arzachena, wo wir den berühmten Proto-Nuraghen Albucciu besichtigen. Diese Art von Korridor-Nuraghen ist typisch für die Arzachena-Region und datiert in die Mittelbronzezeit.
Nach einem gemütlichen Mittagessen führt uns unser Programm zum Gigantengrab Moru, dem Grab, welches zum Nuraghen Albucciu gehört. Dieses Grab ist vielleicht nicht ganz so imposant wie das am nächsten Tag von uns besuchte Li Lolghi, gibt uns jedoch die Möglichkeit, über die Verbindungen zwischen spätmegalithischen und nuraghischen Kulturen zu diskutieren.
Vor dem Abendessen bietet sich vielleicht noch ein Spaziergang in der schönen Umgebung an.
3. Tag, Di.: Arzachena
Unseren Tag beginnen wir mit einem Besuch der Steinringe von Li Muri – ganz spezielle Dolmenringe der Arzachena-Kultur, die jeweils Grabkisten umschließen. Der Platz ist sehr interessant,
da man gleichartige Gräber auch in Iberien, Südfrankreich und Korsika finden kann. Betrachtet man diese Bauwerke vergangener Zeiten, kann man sich ein wenig in die Menschen hineinfühlen, die
diese megalithische Kultur „importiert“ haben.
Danach besichtigen wir das Gigantengrab von Li Lolghi – unbestritten das schönste und am besten erhaltene Gigantengrab von Sardinien; ganze 27 m lang, mit einer riesigen Exedra und Stelen. Li Lolghi liegt auf einem kleinen Hügel – die Lage ist sehr pittoresk. Die Anlage gehört zur älteren Bronzezeit (Bonannaro Kultur), wobei sich in der Nähe auch der dazugehörige Nuraghe befand. Li Lolghi liegt nicht weit weg von Li Muri (ca. 200 m) – ein interessantes Beispiel für die Wohnfortdauer in diesem bedeutenden Areal.
Nach dem Mittagessen wenden wir uns dem Gigantentengrab von Coddu Ecchiu zu. Die Grabbelegung beginnt mit der Monte Claro Kultur (Kupferzeit) und dauert bis in die Bronzezeit an (Bonannaro Kultur). Anfangs war Coddu Ecchiu wohl nur eine „alleè couverte“, um sich dann in der Bronzezeit, mit der Exedra, in ein Gigantengrab zu verwandeln.
Den Abschluss bildet heute der Nuraghe La Prisgiona – ein riesiges nuraghisches Dorf mit Festung und ungefähr 200 Hütten. Besonders interessant ist die „Besprechungshütte“ mit „basisdemokratischen“ Sitzbänken. Letzte Übernachtung in Arzachena.
4. Tag, Mi.: Monte d’Accoddi – Su Crucifissu Mannu
Mit gepackten Koffern machen wir uns auf zur Erkundung des Nordwest-Teiles der Insel – unser erster Stopp ist der berühmte Elefantenfelsen. Bei diesem handelt es ich um einen gewaltigen
Trachytfelsen, welcher von Wind und Wetter zu einem sitzenden Elefanten geformt wurde. Diese Form dürfte bereits den neolithischen Bewohnern Sardiniens imponiert haben, denn sie gruben zwei Domus
de Janas – sogenannte „Geisterhäuser“ in den Stein, wo sie ihre Toten bestatteten.
Nach einem kleinen Mittagessen erreichen wir unser nächstes Ziel: Monte d’Accoddi – den vielleicht wichtigsten Standort der pränuraghischen Zeit im nördlichen Sardinien. Anfangs, in der spätjungsteinzeitlichen Ozieri Kultur, stand hier ein Dorf mit Hütten und einigen Menhiren und Altären. Danach wurde das heilige Areal jedoch in eine spektakuläre halbe Pyramide umgewandelt (ebenfalls von der Ozieri Kultur). Wir besichtigen die perfekt errichtete Zikkurat, vor der wir verweilen, bevor wir uns auch den Menhiren mit menschlichen Darstellungen widmen.
Nach diesen beeindruckenden Erlebnissen sind wir überrascht, dass die nächste Station noch Steigerung bringt: in den jungsteinzeitlichen Nekropolen von Su Crucifissu Mannu bestaunen wir jahrtausendealte Stierreliefs und mysteriöse „cart ruts“ oder „Wagenspuren“ – ein Phänomen, welches auch auf Malta zu sehen ist, jedoch bislang nicht zufriedenstellend erklärt werden kann. Den Abend verbringen wir in der katalanisch anmutenden Hafenstadt Alghero, in deren Nähe wir auch übernachten werden. (2x ÜN bei Alghero)
5. Tag, Do.: Alghero
Nach dem Frühstück besuchen wir die Nekropolen von Santu Pedru. Diese Domus de Janas wurden von verschiedenen Kulturen der Jungsteinzeit bis in die Nuraghische Zeit hinein für komplexe
Begräbnisrituale und die Bestattung von Toten genutzt und liebevoll verziert. Eines der Gräber wurde sogar in byzantinischer Zeit zu einer Kirche umgebaut, welche dann im zweiten Weltkrieg
italienischen Soldaten als Versteck und Beobachtungsposten diente.
Anschließend gelangen wir zur Nekropole von Sant‘ Andria Priu, vielleicht die wichtigste Domus de Janas Nekropole in Sardinien, mit Gräbern der Ozieri Kultur. Die Höhlen sind reich an Reliefs, Säulen und Elementen, die sie an Wohnungen der Lebenden erinnern lassen (Feuerstellen, Scheintüren, Dachkonstruktionen,Treppenhäuser etc.). Im Mittelalter wurde aus einem Grab ein Felsentempel und die Wände wurden mit wundervollen Fresken bemalt. Thronend auf dem Gipfel eines Hügels finden wir auch einen riesigen kopflosen Steinstier, welcher den Wissenschaftlern seit jeher Kopfzerbrechen bereitet.
Nach dem Mittagessen besichtigen wir den „König der Nuraghen“ – Santu Antine im Valle dei Nuraghi. Der imposante Hauptturm ist heute
noch mit beinahe 18 m Höhe besonders gut erhalten und wird im Volksmund als Palast eines besonders wohlhabenden Königs angesprochen.
Auf dem Rückweg zu unserer Unterkunft begeben wir uns noch auf einen kurzen Abstecher zu Sardiniens vielleicht berühmtester Basilika – SS. Trinità di Saccargia. Die Abteikirche des
ehemaligen Kamaldulenser-Klosters ist eines der bedeutendsten Beispiele für romanisch- pisanische Architektur des 12. Jahrhunderts und erweckt durch die Verwendung von schwarzem Trachyt gemeinsam
mit weißem Kalkstein einen regelrecht„gestreiften“ Eindruck.
6. Tag, Fr.: Brunnenheiligtum S. Cristina – Tharros – Museo Morangiu
Gleich nach dem Frühstück (die Koffer sind wieder gepackt) folgt das
legendäre Brunnenheiligtum von Santa Cristina, ein interessantes Beispiel für die Fortdauer von Kulten und gleichzeitig auch ein Bauwerk, das wegen der unglaublich aufwendigen und präzisen
architektonischen Ausführung heute noch den Wissenschaftlern Rätsel aufgibt. Das Areal liegt in einem idyllischen Park mit alten Olivenbäumen, in deren Schatten wir über die Baukunst der
nuraghischen Zeit sinnieren und diskutieren können.
Anschließend lassen wir uns von einem weiteren wichtigen Nuraghen beeindrucken – dem Nuraghen von Losa. Dieses komplexe Bauwerk wurde in der nuraghischen Zeit um eine Dreiecksbastion erweitert und in römischen Zeiten weiterhin genutzt – wovon ein Urnengräberfeld auf dem Areal zeugt.
Nach dem Mittagessen geht es zu einer der wichtigsten Ausgrabungsstätten von Sardinien – nach Tharros. Die eindrucksvollen Ruinen der antiken Stadt zeugen heute noch von der Macht der Phönizier, die hier einen wichtigen Handelsstützpunkt unterhielten. Zu Zeiten der römischen Okkupation war Tharros auch die Hauptstadt des Judikats Arborea.
Am Abend besuchen wir schließlich noch das Museo Civico Giovanni Morangiu, in welchem wir viele Funde, von denen in den letzten Tagen schon die
Rede war, im Original betrachten können. Auch ein Teil der berühmten Giganten von Mont’e Prama können hier bestaunt werden.
(1x Übernachtung bei Oristano.)
7. Tag, Sa.: Menhir Museum – Obsidian-Park – Weltkulturerbe Su Nuraxi
Nach dem Frühstück (die Koffer sind wieder gepackt) brechen wir zum
Laconi Menhir Museum auf, wo wir mehr über die Bedeutung der zahlreichen Menhire, die in der Gegend um Laconi gefunden wurden, erfahren.
Im Anschluss erwartet uns eine ganz besondere Fundstelle – Conca e Cannas. Hier wurden gewaltige Aufschlüsse von Obsidian, jenem Material, welches Sardinien bereits in der Steinzeit zu einer wichtigen Handelsmacht werden ließ, gefunden. Bei einer kleinen Wanderung entdecken wir mit ein wenig Glück auch einige Halbfabrikate oder sogar Artefakte auf dem Weg, müssen sie jedoch schweren Herzens dort belassen – Mitnehmen ist unter Strafe verboten.
Nach einem kleinen Mittagessen machen wir einen kurzen Abstecher zu einem weiteren Gigantengrab – Sa Domu e S’Orku. Die gewaltige Ausführung der Bausteine sowie die besonders gute Erhaltung der Grabkammer machen dieses zu einer nuraghischen Grabanlage der ganz besonderen Art.
Den Abschluss unserer Reise bildet die UNESCO-Weltkulturerbe-Stätte Su Nuraxi in Barumini. Hier befindet sich das am besten erhaltene und imposanteste nuraghische Dorf Sardiniens. Das zugehörige Museum ist in einer Klosteranlage untergebracht, welche direkt über einem Satelliten- Nuraghen von Su Nuraxi errichtet wurde – durch den Glasboden spazieren wir über die Ruinen von letzterem und fühlen uns just in die Bronzezeit zurück versetzt.
Bei einem letzten gemeinsamen Abendessen tauschen wir anschließend Kontaktdaten, genießen die sardischen Gaumenfreuden und schwelgen gemeinsam in Erinnerungen dieser ereignisreichen Woche. 1x Übernachtung bei Turri.
8. Tag (So. 17.09.2023): Freie Zeit und
Heimreise
Nach dem Frühstück bringen wir Sie für Ihren Rückflug zum Flughafen nach Olbia (220 km Wegstrecke, ca. 3
Stunden). Wenn Sie den Rückflug ab Cagliari planen, können Sie den Tag noch ganz entspannt genießen, bis Sie unser Transfer am Nachmittag/frühen Abend zeitgerecht zum Flughafen nach Cagliari (65
km Wegstrecke) bringt.
Enthaltene Reiseleistungen:
Nicht enthaltene Reiseleistungen:
Flüge
Reisepreis:
Im Doppelzimmer: 2.495 € pro Person
Im Einzelzimmer: 2.765 € pro Person
Gruppengröße: mindestens 8 und maximal 16 Teilnehmer
Reiseleitung: Archäologin Ilaria Ottoviani
Zusätzliche grundsätzliche Informationen:
Copyright: WikimediaCreativeCommons, Ruiu Michele, OpenStreetMap, Gianni Careddu